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Antrag / Anfrage / Rede

Antrag von Kreisrat Xaver Fichtl zur Beteiligung Flughafen Memmingen

Der Lindauer Kreisrat Xaver Fichtl versucht zusammen mit den schwäbischen ÖDP-Mandatsträgern eine Beteiliung der Landkreise und Kommunen an einer Grundbesitzgesellschaft am Flughafen Memmingen zu verhindern

An Herrn Landrat Elmar Stegmann
Stiftsplatz 4, 88131 Lindau (Bodensee)

Betrifft:
TOP 3  der Kreistagssitzung am 8. Oktober (Beteiligung des Landkreises an einer Grundbesitz-gesellschaft auf dem Konversionsgelände des ehemaligen Fliegerhorstes Memmingerberg)

Antrag:
Die ÖDP beantragt, den Tagesordnungspunkt 3 von der Tagesordnung zu nehmen oder ersatzweise die Ablehnung der Beteiligung endgültig zu beschließen. Falls TOP 3 nur verschoben oder womöglich beraten wird, beantragen wir, Einblick in sämtliche mit der BImA bestehenden Verträge zu gewähren, die mit der Untersuchung und Sanierung einer möglichen vom Flugplatzareal ausgehenden PFC-Belastung zu tun haben.“
Begründung:
Die Beteiligungsbedingungen sind in vielen Punkten eindeutig nicht erfüllt oder nicht vollständig geklärt. Deshalb kommt nur eine Verschiebung (die aus unserer Sicht absehbar nichts Neues erbringen wird) bzw. eine sofortige endgültige Ablehnung der Beteiligung in Betracht.

Im Einzelnen:
1.  Vorbedingungen
Die in der Vorlage und in der vorausgehenden Kreisausschusssitzung formulierten, teilweise verschärften, Bedingungen sind nicht erfüllt:
Die Beteiligung der angefragten Landkreise und Städte im Allgäu in Höhe von insgesamt 7,2 Mio. Euro ist keinesfalls gesichert. Zudem sind Bürgerentscheide in der Stadt Memmingen und im Landkreis Unterallgäu geplant, weitere werden bei Bedarf (d.h., um den Vorgang zu stoppen) eventuell dazu kommen.
Zur Freistellung von Altlastenrisiken und -sanierungskosten siehe 2.
Die Kooperation der Regionalflughäfen Memmingen und Friedrichshafen ist, wie auch schon im Kreisausschuss von Landrat Stegmann erläutert, nicht denkbar.
Die Werthaltigkeit der Grundstücke und die Entwicklung der Gewerbeflächen in Zusammenarbeit mit allen beteiligten Kommunen sind nicht gesichert, sondern hängen vor allem von der keinesfalls gesicherten Zukunft des Flughafens Memmingen ab. Daran können auch Gutachten nichts ändern.

2.  Altlasten
Bei einzelnen Gremiums-Sitzungen wurde von den Verfechtern der Grundstückskäufe
folgende Zusage erteilt: „Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (kurz BImA) würde die Entsorgungskosten für sämtliche bestehende Altlasten übernehmen!“. Dies war schlichtweg gelogen. Eine Nachfrage bei der zuständigen Stelle ergab folgendes Resultat:“ „Zu keinem Zeitpunkt hat die BImA zugesagt, generell alle Kosten für Untersuchung und Sanierung einer möglichen vom Flugplatzareal ausgehenden PFC-Belastung zu übernehmen.“ Alle Stadtrats- und Kreisratsmitglieder der ÖDP Schwaben fordern deshalb, Einblick in sämtliche mit der BImA bestehenden Verträge zu gewähren. Die Definition und Höhe der betroffenen Entsorgung muss genau erkennbar sein. Frühestens dann kann, wenn überhaupt, in den Gremien weiter beraten und entschieden werden.

Im Gutachten von Dr. Jörg Danzer (Projekt-Nr. 150-1113, Flugplatz Memmingerberg, Perfluorierte Chemikalien, Orientierende Untersuchung, Seite 23 von 30, siehe Anlage) wird ein Schadstoffpotenzial von mindestens 50kg PFC im Untergrund abgeschätzt. In einer PM des Flughafen Nürnberg wird die aufwendige Beseitigung von ca. 1,75 kg PTF thematisiert. Im Vergleich dazu liegt in Memmingen das dreißigfache (!) oder mehr an PFT im Boden, das Grundwasser ist aktuell gefährdet, die Folgekosten sind bei Weitem nicht absehbar. Eine PFT-Sanierung des Flughafengeländes erscheint allein auf Grund der PFT-Belastungen im Trinkwasser der Gemeinde Ungerhausen unausweichlich.

3.  Konkurrenz bzw. wer subventioniert wen als nächstes?
In der Anlage 5 (Konzeptpräsentation Neustrukturierung Allgäu Airport) liefert die Allgäu Airport GmbH & Co KG das schönste Eigentor: hier werden 8,3 Mio. Menschen im Einzugsgebiet (90 min Fahrzeit bzw. 100 km Radius) postuliert, gleichzeitig wird dokumentiert, dass die Flughäfen von München, Friedrichshafen und Stuttgart in diesem Bereich liegen. Das soll wohl heißen, dass Memmingen die Gäste aus Stuttgart, FN und München abwerben kann und will, mit Dumpingpreisen auf Kosten des Steuerzahlers bzw. der Kommunen. Zusätzlich zu den klimaschädlichen Folgen des Flugverkehrs kommen noch die Autofahrten von diesen Städten nach MM dazu. Daran erkennt man, dass diese GmbH jeden Realitätssinn und jede Verantwortung verloren hat. Der Flughafen München-West ist demnach noch nicht begraben. Die Erwartung, dass der Flughafen Friedrichshafen damit kooperiert, ist nicht nahe liegend. Den Konkurrenzkampf mit FN und den Großstädten kann Memmingen mit noch so viel kommunalen Zuschüssen und Steuermitteln nicht bestehen.

4.  Weitere Betrachtungen
Christa Bail, 1. Bürgermeisterin der Gemeinde Westerheim, Kreisrätin des Landkreis Unterallgäu, Prof. Dr.-Ing. Dieter Buchberger, Stadtrat der Stadt Memmingen, und Thomas Frey, Kreisrat des Landkreis Oberallgäu, haben am 2.7.2015 ein Schreiben an alle kommunalen Entscheidungsträger gerichtet, in welchem viele Fakten und kritische Fragen thematisiert werden, siehe Anlage (Info für Kommunalpolitiker). Ein kleiner Auszug:

Nach mehreren Finanzierungen durch den Freistaat und die Kommunen im Rahmen der ARI und durch Marketingzuschüsse (insbesondere die ersten Jahre) sind nun bereits 10 Millionen Steuer-gelder in den Allgäu Airport geflossen. Dabei hätte er doch nach Auskunft der Geschäftsführung mit 8 Millionen Gesamtaufwand, davon 3,5 Millionen vom Freistaat tauglich für Großflugzeuge bis B757 ausgebaut werden sollen. Angeblich war er damals schon besser als der Flughafen in Friedrichshafen. Im Jahre 2015 hätte er mit 316.000 Passagieren bereits Gewinne erwirtschaften sollen. Dies alles war in den Schriftsätzen anlässlich des Gerichtsverfahrens zur erstmaligen Genehmigung zu lesen.
Offensichtlich hat sich die Geschäftsführung getäuscht. Bereits 2011 und 2013 wurde von den Wirtschaftsprüfern im jeweiligen Geschäftsbericht (veröffentlicht im Bundesanzeiger) dezent ein Hinweis auf die drohende Insolvenzgefahr gegeben.
Zur Jahreswende 2014/15 gab es offensichtlich massive Liquiditätsengpässe. Nur durch massiven politischen Einsatz konnte mittels eines nun rückzahlbaren Notkredits zweier Banken die Insolvenz abgewendet werden.  Doch ganz offensichtlich reichte dies auch nicht. Die Gesellschafterschießen nun nach (4 bis 6 Millionen Euro). Den Löwenanteil zur Rettung des Airports sollen die Allgäuer Gebietskörperschaften stemmen.

Interessant auch die Aussage Buchbergers zum ca. 15.5 Mio. Euro teuren Ausbau der Startbahn und dem Geldeinwerber Altlandrat Gebhard Kaiser laut Zeitungsbericht der Südwestpresse Ulm vom 21.02.2015: Dieser Optimismus des Akquisiteurs klingt in den Ohren Dieter Buchbergers zynisch. Denn seine "Bürger gegen Fluglärm" sind davon überzeugt, dass die aufgerufene Investitionssumme von 15,5 Millionen Euro "ein schlechter Witz" ist. "Für einen Umbau im laufenden Betrieb, wie das in Memmingen nötig ist, reicht das Geld nie", sagt Buchberger und beruft sich dabei auf eine Expertise des Flughafen-Planers Dieter Faulenbach da Costa, der für die Arbeiten Kosten von etwa 40 Millionen annimmt. Buchberger: "Das passt ganz gut zu den Kosten, die für vergleichbare Arbeiten bei anderen Regionalflughäfen angefallen sind."

Wenn die unmittelbar beteiligten Kommunen, die Stadt Memmingen und der Landkreis Unterallgäu, davon überzeugt wären, dass der Flughafen Memmingen auf Dauer Bestand hat, müssten Sie, zumindest auf Grund der Pläne und Begründungen, denen sie zustimmen,
alles daran setzten, die Beteiligungen alleine zu übernehmen, da sich die Beteiligungen lohnen müssten. Aber da sie wissen, dass sie in ein permanentes Zuschussgeschäft einsteigen sollen (müssen? weshalb?), versuchen sie, die vorläufig notwendigen Zuschüsse zu verteilen.

Norbert Rauh, NABU Aitrach, hält den Allgäu Airport für ökologisch schädlich und wirtschaft-lich unsinnig und begründet dies anhand einer ausführlichen Recherche vom 26.08.2015

Die PM des Bund Naturschutz in Bayern vom 14.07.2015 titelt nach dem Urteil zum Allgäu Airport: Wirtschaftsbelange wichtiger als Lärm- und Klimaschutz.

Der Verkehrsklub Deutschland (VCD), Landesverband Bayern, lehnt den Ausbau des Flughafens Memmingen ab und fordert dafür die baldige Elektrifizierung der Bahnstrecke Lindau - München, auch aus Klimaschutzgründen. (PM vom 16.07.2015)

Auch die Antwort des Staatsministeriums des Inneren vom 29.07.2015 (Drucksache 17/7166) auf die Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze enthält klare Fakten: Das Fahrgastaufkommen in Memmingen ist vom Maximum in 2009 bis 2014 tendenziell gesunken, während zeitgleich die Gästeübernachtungen im Allgäu tendenziell gestiegen sind. Allzu bedeutend kann der Flughafen für den Tourismus folglich nicht sein.

Es gibt noch viele weitere Gründe gegen den Ausbau des Flughafens Memmingen aus grundsätzlichen Klimaschutzgründen und aus Gründen des Lärmschutzes für die Anwohner, und viele weitere Gründe gegen die Beteiligung an der Grundbesitzgesellschaft wegen der Altlasten. Siehe Anlagen und Internet.

Nicht zuletzt will der Landkreis Lindau dem Interreg-Projekt "CO2-Reduktion in der grenzüberschreitenden Pendlermobilität beitreten. Das Projekt Flughafen geht in die entgegengesetzte Richtung.

Lindau, den 5.10.2015

gez. Xaver Fichtl




 

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